Herr S. hätte nie gedacht, dass der Tag so enden würde.
Dabei war er ganz sicher mit dem richtigen Bein aufgestanden. Auch hatte er den alltäglichen Weg genommen, vom Bett ins Bad, vom Bad an den Küchentisch, vom Küchentisch ins Arbeitszimmer, vom Arbeitszimmer zur Garderobe. Dort hatte er den Hut aufgesetzt und einen letzten Blick in den Spiegel geworfen, bevor er zur Wohnungstür aufgebrochen war, sie geöffnet und wieder geschlossen hatte, um kurz darauf in seinen Wagen zu steigen und ins Büro zu fahren.
Auch auf der Arbeit war alles gewesen wie immer. Er hatte Akten durchgesehen, telefoniert, geschrieben, telefoniert, Akten durchgesehen und wieder telefoniert.
Pünktlich um 16.00 Uhr wollte er dann in den Feierabend gehen, als ihn eine Kollegin aufhielt. Frau N. nahm ihm den Hut vom Kopf und sagte ihm, es müsse sich in jedem Leben einmal etwas ändern.
Frau N. nahm ihn an die Hand und führte ihn aus. In den Park, in ein Restaurant, dann in eine Kneipe, schließlich zu sich nach Hause.
Nun lag er neben ihr und dachte, dass morgen alles anders sein würde. Er würde aus ihrem Bett aufstehen, mit welchem Bein auch immer. Dann würde er in ihr Badezimmer gehen, um an ihrem Tisch zu frühstücken.
Zwar wusste er nicht, ob es am darauffolgenden Tag noch immer so sein würde, doch er beschloss, sich auf jeden Fall von seinem Hut zu trennen.
Eine sehr schöne, inspirierende Geschichte. Sie macht mich sehr nachdenklich.
Führe ich etwa ein ähnliches Leben?
Bin ich Herr S.?
Sollte ich meinen Job ändern, nicht mehr telefonieren, keine Akten mehr sichten? Auf meine Hüte verzichten?
Oder gar beginnen SOZIALE KONTAKTE zu pflegen?
🙂
Sehr schöner Text, Herr Benno P.!
Dankeschön, Frau Paradalis.
Nachdenklich mag er stimmen, mein Text, doch missverstehen Sie ihn bitte nicht als Ratgeber. Denn gerade wenn ich mir Ihren Blog so ansehe, weiß ich, Sie wären Herrn S. ein großes Vorbild.