Nur so ein Gefühl

Er suchte sein Gefühl. Hatte das Gefühl, es sei ihm verloren gegangen. Er durchwühlte sein Inneres, beginnend beim Kopf. Schob Gedanken beiseite, legte die Vernunft ab, krempelte sein Gedächtnis um. Als er nichts fand, glitt er die Speiseröhre hinab, einen schalen Geschmack im Mund, und landete schließlich im Bauch, wo er einen Moment glaubte, er sei seinem Ziel nähergekommen. Doch das Bauchgefühl trog. So hoffte er, es könne wenigstens von außen an ihn herangetragen werden, schaute links und rechts, blickte nach oben und unten, sah nach vorn und hinten, wurde immer panischer. So panisch, dass er gar nicht bemerkte, wie ihn Angst überkam und Traurigkeit berührte. Noch ehe er sich versah, hatte er jedes Gefühl mit Füßen getreten. So lange, bis es ganz stumpf wurde.

Der verlorene Garten

Er hatte seinen Garten verloren. Seinen geliebten Schrebergarten. Anfangs dachte Alfons nur: Oh, da muss ich aber hart arbeiten. Denn als er nach den anhaltenden Schneefällen der letzten Tage erstmals wieder sein Gärtchen besuchte, fand er es unter den weißen Massen begraben. Genauer gesagt, fand er es eben nicht. Dort, wo es einmal gewesen war, befand sich nun nur noch eine weiße Ebene.

Die Gärten links und rechts waren von ihren Besitzern offenbar schon frei geschaufelt worden. Nur eine dünne Schneeschicht bedeckte noch Rasen und Beete. Von seinem war dagegen nichts zu sehen. Selbst da, wo er sein gemütliches Gartenhäuschen vermutete, erhob sich nicht einmal ein Hügel aus der Schneedecke. Weder sein Apfelbaum noch sonst irgendein Wipfel war zu sehen.

Alfons holte seine Schaufel aus dem Wagen und beschloss, sich zunächst zum Gartentor durchzugraben. Er grub und grub. Nach zwei Stunden hatte er hinter sich bereits einen ansehnlichen Berg aus Schnee angehäuft. Längst achtete er nicht mehr darauf, den Weg für die Rückfahrt freizuhalten. Mit jedem Mal, bei dem er die Schaufel in das Weiß stieß, hoffte er auf Widerstand zu stoßen. Doch sein Gartentor erreichte er wieder und wieder nicht.

Nach weiteren zwei Stunden blickte er sich um. Die Sicht nach hinten war ebenso versperrt wie die nach vorn. Doch wenn er sich streckte, konnte er erkennen, dass er längst die Grenze zu seinem Garten überschritten hatte. Nur den Garten selbst fand er nicht.

So leicht jedoch wollte er, dem trotz der kalten Jahreszeit der Schweiß von der Stirne tropfte, nicht aufgeben. Noch bis zum Abend schaufelte er, änderte mehrfach seine Strategie, grub mal nach links, mal nach rechts, mal steil nach unten. Der Garten aber blieb verschwunden.

So musste er schließlich seine Arbeit vertagen. Als er nun den Heimweg antreten wollte, fand er auch sein Auto nicht mehr.